Wohnraum für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte

Der Verein JUVIVO ist als Trägerverein für offene Kinder- und Jugendarbeit sowie für mehrere FAIR- PLAY-TEAMs in sechs Wiener Bezirken (3, 6, 9, 12, 15 und 21) tätig. In unserer Arbeit sind wir seit einiger Zeit verstärkt mit Familien in äußerst prekären Wohnsituationen konfrontiert. Vor allem bei Geflüchteten erleben wir eine Zuspitzung der Situation – fehlende sozialstaatliche Angebote führen dazu, dass junge Menschen in unklaren Wohnverhältnissen landen, die nicht selten von Ausbeutung geprägt sind. Missstände zeigen sich auch bei temporären Wohnquartieren, das wesentlichste Problem sehen wir allerdings in der Versorgung mit dauerhaftem, leistbarem und angemessenem Wohnraum.

Im Rahmen unserer Arbeit nehmen wir folgende besondere Herausforderungen für Menschen mit Fluchtgeschichte wahr:

  • Besonders schwierig gestaltet sich der Übergang von temporären Wohnquartieren in andere Wohnformen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge1. Diese müssen betreute Wohnheime im Regelfall unmittelbar nach ihrem 18ten Geburtstag verlassen. Dabei finden sie oft keinen Anschluss an andere soziale Angebote und sind auf sich alleine gestellt.
  • Schwierigkeiten geeigneten permanenten Wohnraum zu finden haben vor allem anerkannte Flüchtlinge (§3 AsylG) sowie Subsidiär Schutzberechtige (§8 AsylG).

Der private Mietwohnungsmarkt2 ist ohnehin von massiven2 Preissteigerungen und Deregulierungen betroffen, für Menschen mit Fluchtgeschichte bietet er kaum Möglichkeiten:

  • Diskriminierungen am Wohnungsmarkt sind die Regel, in manchen Wohnungsanzeigen findet sich der Vermerk „Nicht an Flüchtlinge!“.
  • Für das Abschließen eines privaten Mietvertrags werden oft hohe Einkommensnachweise verlangt, staatliche Transferleistungen werden nicht als Einkommen anerkannt.
  • Hohe Provisionen und Kautionen tragen weiter dazu bei, Menschen mit geringem Einkommen vom privaten Wohnungsmarkt auszuschließen.
  • Durch wachsende Armut, unter anderem durch sinkende Realeinkommen, ist die Konkurrenz im unteren Preissegment der privaten Mietwohnungen sehr hoch.

Menschen die am privaten – offiziellen – Wohnungsmarkt keine passenden Angebote finden, landen häufig am informellen Wohnungsmarkt:

  • Wohnungen werden überbelegt, geflüchtete Menschen zahlen oft nur für einen Schlafplatz in einem Mehrbettzimmer mehrere hundert Euro.
  • Betten, Zimmer oder Wohnungen werden ohne Mietverträge vermietet, es besteht keinerlei rechtlicher Schutz.
  • Für Kaution und Provision werden häufig keine Empfangsbestätigungen ausgestellt, Kautionen werden nicht zurückbezahlt.
  • Vermieter*innen kassieren häufig Geld von den Untermieter*innen, bezahlen damit aber selbst nicht die Miete, so dass die Wohnung nach wenigen Monaten delogiert wird.
  • Die Qualität der Wohnungen ist oft auffallend schlecht – Schimmel, keine sanitäre Ausstattung, Kellerabteile werden als Wohnraum vermietet.
  • Gerade von Jugendlichen hören wir immer wieder, dass erwachsene Männer sie bei ihnen wohnen lassen – dies geschieht unter unklaren Voraussetzungen und begünstigt sowohl Missbrauchs- als auch Ausbeutungsverhältnisse.

Gemeindewohnungen könnten eine leistbare Alternative für geflüchtete Menschen darstellen, stellen sie aber vor weitere Herausforderungen:

  • Mit dem „Wiener-Wohn-Ticket“ wurde der Zugang zu Gemeindewohnungen deutlich erschwert – zugangsberechtigt ist nur, wer seit zwei Jahren an derselben (!) Adresse in Wien hauptgemeldet ist. Wer also in wechselnden Flüchtlingsunterkünften gelebt hat, von den Eltern hinausgeworfen wurde oder sogar delogiert wurde, kann keine Gemeindewohnung beantragen.
  • Der Aufenthaltsstatus von subsidiär Schutzberechtigten reicht generell nicht aus, um eine Gemeindewohnung zu beantragen, sie sind daher weiterhin auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen.
  • Die Kommunikation mit Wiener Wohnen stellt sich häufig als sehr schwierig dar, Sprachbarrieren und wechselnde Ansprechpartner*innen führen zu Missverständnissen.
  • Familien mit mehreren Kindern bekommen oft besonders schwer Gemeindewohnungen, da diese nur für kleinere Familien konzipiert sind und Wiener Wohnen keine Wohnungen vergibt, bei denen anschließend Überbelag geltend gemacht werden könnte.
  • Für Familien mit Fluchtgeschichte, die akut von Delogierung und Wohnungslosigkeit bedroht sind, fehlen schnelle Lösungen. Trotz Beratungsangeboten fehlen Möglichkeiten betroffene Familien unterzubringen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich auch dem Jugendamt keine andere Möglichkeit bietet, als betroffene Kinder in betreuten Einrichtungen unterzubringen und somit Familien auseinanderzureißen. Eltern und Kinder zu trennen und die Eltern der Wohnungslosigkeit zu überlassen ist dann die Konsequenz, und steht somit im Widerspruch zu den Zielen einer angemessenen sozialarbeiterischen Begleitung. Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe wiederum fühlen sich für wohnungslose Familien mit Fluchtgeschichte häufig nicht zuständig oder sind selbst überbelegt. Wer die Leistungen einer Einrichtung für Wohnungslose in Anspruch nimmt, verliert außerdem seinen Vormerkschein für Wiener Wohnen.

Die Asylkoordination3 hat im Zusammenhang mit der Wohnsituation geflüchteter Menschen einige Forderungen aufgestellt, denen wir uns daher anschließen wollen:

1. Verbesserter Zugang zu Gemeindewohnungen und Sozialwohnungen in Wien:
  • Abschaffung des Nachweises einer über zwei Jahre durchgehenden Wohnsitzmeldung an der gleichen Adresse.
  • Abschaffung von finanziellen Eintrittshürden (Eigenmittelanteil) für Geringverdiener*innen und Mindestsicherungsbezieher*innen bei Genossenschaftswohnungen und geförderten Mietwohnungen.
  • Verbesserte Beratungsleistungen über Gemeindewohnungen und geförderten Wohnbau in mehreren Sprachen.
2. Ausbau bestehender (Hilfs-)Netzwerke in Richtung Genossenschaften und gemeinnütziger Bauträger.
  • Die Asylkoordination schlägt vor, die Kooperation von bestehenden Hilfsnetzwerken (z.B. NGOs) und Bauträgern zu ermöglichen, da sich Hilfsnetzwerke als die wirkungsvollste Form der Unterbringung erwiesen haben.
3. Verteilungsprozesse und Planung aktiv mitgestalten.
  • Integrationsförderung muss Wohnbauplanung, bereichsübergreifende Kooperation in der Wohnungsvergabe und begleitende Angebote in der Besiedlungsphase miteinschließen.
  • Dafür braucht es eine neue Planungskultur, die sowohl Expert*innen der Flüchtlingsarbeit miteinschließt, als auch betroffenen Menschen selbst ihre Interessen in Planungsprozessen artikulieren lässt.

1 Der Begriff „Flüchtling“ wird medial beinahe ausschließlich negativ konnotiert. Vereinsintern wurde daher diskutiert, ob es vertretbar ist, den Begriff noch zu verwenden. Um einem rassistischen Grundkonsens nicht das Feld zu überlassen, haben wir uns entschieden, nicht gänzlich auf den Begriff zu verzichten. In Zeiten, in denen die Rechte von flüchtenden Menschen massiv beschnitten werden, ist uns wichtig, den rechtlichen Status im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu betonen, anstatt noch weiter hinter diesen zurückzufallen. Aufmerksamkeit für Sprache ist uns ein integrales Anliegen, in diesem Fall möchten wir die Verwendung des Begriffs als Engagement für die Rechte von Menschen verstanden wissen.

2 „Neue und laufende private Mieten sind zwischen 2008 und 2016 überproportional gestiegen. Österreichweit sind die privaten Hauptmietzinse von Neuvermietungen um plus 35 Prozent in die Höhe gegangen. Viele private Mietverträge sind nach wie vor befristet. Das zeigt eine neue AK Analyse des Mikrozensus der Statistik Austria für Österreich von 2008 bis 2016.“ (https://wien.arbeiterkammer.at/service/presse/Neue_Mietenstudie.html)

3 Die Asylkoordination hat in der Zeitschrift asyl aktuell 3/2016 einen Artikel mit dem Titel „Über (Un-)Zugänglichkeiten, gute und böse Subwohnungsmärkte“ herausgegeben, worauf sich die hier formulierten Forderungen beziehen. (https://www.asyl.at/adincludes/dld.php?datei=130.02.ma,berun- zugnglichkeite_subwohnungsmrkte_aniza_aigner.pdf)

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